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Reformationsfeier vom 3. November 2013, 17 Uhr, in der Kirche St.Laurenzen, St.Gallen

Zur Ehre Gottes –

Reformierte Reflexionen zur Kirchenmusik in der Schweiz

Festvortrag und Orgel: Verena Friedrich, Niederrohrdorf/AG, Kirchenmusikerin in Baden, von 2000–2010 Präsidentin der ref. Kirchenmusikerverbände der deutschsprachigen Schweiz.

verena

An der Reformationsfeier vom 3. November 2013 hat Verena Friedrich aus Niederrohrdorf/AG den Festvortrag gehalten. Verena Friedrich war von 2000-2010 Präsidentin der ref. Kirchenmusikerverbände der deutschsprachigen Schweiz und ist seit 16 Jahren Kirchenmusikerin in Baden, der grössten reformierten Kirchgemeinde des Kantons Aargau. Sie kennt die verschiedenen musikalischen Kulturen in der reformierten Kirchenlandschaft und gibt einen Überblick über die prägenden Reflexionen zum Thema der reformierten Kirchenmusik in der Schweiz in den letzten 100 Jahren.

Verena Friedrich-Gäumann ist im Rheintal aufgewachsen, studierte in Köln Kirchenmusik sowie in Winterthur Orgel. An der Universität Zürich absolvierte sie ein Studium in Musikwissenschaften und Kirchengeschichte sowie an der Berner Fachhochschule den MAS-Studiengang Musikmanagement. Sie ist verheiratet mit dem Kirchenmusiker und Komponisten Thomas A. Friedrich; gemeinsam haben sie drei Kinder im schulpflichtigen Alter.

Zum Vortrag: >>> im word.dokument

Reformierte Reflexionen zur Kirchenmusik in der Schweiz

Eingangsspiel: Paul Müller-Zürich (1898-1993): Steh auf in Deiner Macht, o Gott

Begrüssung etc. Andreas Schwendener

Seit 15 Jahren wird in den Schweizer Kirchgemeinden aus dem RG gesungen. Oft wird es immer noch als das neue Gesangbuch bezeichnet. Ich blicke im folgenden Referat zurück auf die Zeit davor. Welche musikästhetischen Gedanken bewegte die reformierte Gottesdienstkultur im 20. Jahrhundert? Welches waren die prägenden Vordenker unseres RGs? Lassen Sie mich beginnen mit einigen Gedanken

Zur Situation der Kirchenmusik in der Schweiz bis zum Zweiten Weltkrieg

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war die Orgel nach dem Jahrhunderte langen Schweigen seit der Reformationszeit wieder regelmässig in den reformierten Schweizer Kirchen anzutreffen. Es fehlte auch nicht an guten Organisten. Was aber völlig fehlte, war eine liturgische Bindung des kirchlichen Orgelspiels, weil eine entsprechende kirchenmusikalische Tradition der zwinglianischen Kirche fremd war. Die damaligen Kirchengesangbücher (1868 und 1891) sowie die Vorliebe für das geistliche Volkslied kamen der Orgel als Kirchenmusikinstrument auch nicht gerade entgegen. Die sogenannt «ernste» Orgelmusik, etwa die Choralbearbeitungen von Johann Sebastian Bach, waren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kaum erhältlich. In Folge dessen waren sie sowohl für den Unterricht als auch für die gottesdienstliche Musik praktisch bedeutungslos. Ab 1911 fanden in Zürich die ersten Ausbildungskurse zur Förderung des kirchlichen Gemeindegesangs für Organisten, Chorleiter und Pfarrer statt.

Zwischen den beiden Weltkriegen wurde dem Organisten und seinem Instrument vermehrt die Aufgabe der Wortverkündigung übertragen. Die Wortverkündigung fand nicht im Ausdruck von Emotionen oder Textinterpretationen statt sondern machte einen Umweg über die Melodie des vertonten Kirchenliedes, welche stellvertretend für den Text stand: choralgebundene Orgelmusik zum Eingang und zum Ausgang, beim Zwischenspiel sowie zur Austeilung des Abendmahles. Mittlerweilen darf man dankbar feststellen, dass heute auch der choralfreien Orgelmusik eine liturgische Eignung zugestanden wird.

Das von Ernst Isler zusammengestellte Kernliederverzeichnis von 1928 vereinigte die geeignetsten Lieder des achtörtigen Gesangbuches von 1891. Da die Organistenkurse sich hauptsächlich der Pflege der alten und choralgebundenen Orgelmusik widmeten, war schon bald eine Erweiterung des Kernliederverzeichnisses um die alten Choräle notwendig. Um die Suche nach geeigneter choralgebundener Orgelmusik zu erleichtern, erstellte der Zürcher Organistenverband 1933 in der Folge ein «Verzeichnis von Choralbearbeitungen für Orgel zu den Kernliedern der beiden deutschschweizerischen Kirchengesangbücher» (der achtörtigen von 1891 und des ostschweizerischen). Dieses Büchlein ist ein Vorläufer des auf das Kirchengesangbuch von 1952 bezogenen Verzeichnisses von Fritz Münger. Dieses wurde vor rund zehn Jahren durch Martin Bieri und Eric Nünlist von Grund auf auf- und umgearbeitet und ist unter dem Titel «Ricercare» als Buch und CD-Rom erschienen.
Im Zuge der allgemeinen Beschäftigung mit alter Musik wurde auch der Orgelbau berührt: Bei Neu- und Umbauten wurde den Klangproblemen der Orgelmusik des 17. und 18. Jahrhunderts verstärkt Bedeutung geschenkt.

Kirchenmusikalische Reflexionen der Nachkriegsjahrzehnte

Im Besonderen Ende der 50-er und Anfang der 60-er Jahre wurde unter der Leitung des «Arbeitskreises für evangelische Kirchenmusik» eine intensive Diskussion zur Klärung der kirchenmusikalischen Situation in der Schweiz geführt. Die wichtigste Publikation dieser Zeit, welche musikästhetische Fragen zur gottesdienstlichen Musik thematisiert, war die Schrift von Adolf Brunner «Musik im Gottesdienst» (1960/1968). Auch die Organistenverbände beteiligten sich aktiv an der Suche nach einem reformierten Schweizer Kirchenmusikstil und gaben etliche Orgelkompositionen zu verbreiteten Liedern in Auftrag. Aus einer dieser Sammlungen, welche der Zürcher Organistenverband in den 50-er Jahren bei Paul Müller-Zürich in Auftrag gegeben hat, habe ich das Eingangsstück zum Psalmlied «Steh auf in Deiner Macht, o Gott» gewählt.

Adolf Brunner: Musik im Gottesdienst

Der Zürcher Komponist und Musiker Adolf Brunner beschreibt in den 60-er Jahren die kirchenmusikalischen Mittel und Formen der Gegenwart. Der älteren Generation dürfte Brunner als Leiter der Abteilung «Politik» vom Schweizer Radio vielleicht ein Begriff sein; ihm verdanken wir unter anderem die Sendung «Echo der Zeit». Mit seinen Gedanken avancierte Brunner zum massgebenden konzeptionellen Vordenker des Gottesdienstverständnisses, auf dem auch unser neues Gesangbuch aufbaut.

- Der musikalische Hauptträger der Liturgie ist der einstimmige Gemeindegesang, da dieser dem gemeinsam gesungenen Gebet am nächsten steht. Ziel ist es, die Gemeinde zum einstimmigen, unbegleiteten Gesang zu erziehen. Brunner schreibt ferner: «In einem künftigen Gesangbuch sollte man auf jede Mehrstimmigkeit verzichten, diese dem Chor überlassen und die Tonart der Kirchenlieder so wählen, dass jede Stimmlage den Umfang der Choralmelodie mühelos bewältigen vermag.»

- Der Chor der Kirchgemeinde stellt den mehrstimmigen Gesang in den Dienst der Verkündigung. Er sitzt nicht abseits auf einer Empore sondern mitten in der Gemeinde. Er singt mindestens einmal pro Monat im Gottesdienst. Sein liturgisches Repertoire besteht mehrheitlich aus einfachen Chorsätzen, welche etwa im Wechsel mit der Gemeinde gesungen werden können.

- Im reformierten Predigtgottesdienst steht der Orgel die musikalische Verkündigung in Form von Musikstücken, Liedbegleitung sowie event. Begleitung von Chor und/oder Solisten zu. Brunner sieht auch Sologesang als Möglichkeit zur musikalischen Verkündigung vor. Ganz absehen will er hingegen von Instrumentalsolisten.

Kernstück der protestantischen Kirchenmusik ist das Strophenlied, der Choral, welcher von der Gemeinde allein oder im Wechsel mit Chor oder Orgel gesungen werden kann. Zu wenig werde seiner Meinung nach die Möglichkeiten des Wechselgesanges gepflegt. Dem Chor stehen alle Formen - vom Kantionalsatz über die Motette oder Kantate bis zum geistlichen Konzert - offen. Als nicht ungefährlich wertet Brunner - entsprechend dem musikästhetischen Empfinden seiner Zeit - den Einfluss von Jazz, Spiritual oder Schlager: Dies seien Produkte der Unterhaltungsindustrie und sprechen die Masseninstinkte an anstatt der Auferbauung zu dienen. Den Organisten steht zur musikalischen Gestaltung ihrer Aufgaben die ganze Literatur der Vergangenheit und Gegenwart zur Verfügung, sofern sie sich liturgisch rechtfertigen lasse.

Zehn Jahre nach Adolf Brunner skizziert auch der Pfarrer und Liturgiewissenschaftler Markus Jenny sein Bild vom zukünftigen gottesdienstlichen Gesang und damit auch vom zukünftigen Gesangbuch. Dieses ist notabene das unsrige. Ganz im Sinne Brunners möchte ich mit Ihnen das folgende Lied im Wechsel singen. Der Text stammt von Markus Jenny, auf den ich im Folgenden zu sprechen komme. Die Melodie und der holländische Originaltext stammen beide aus der Zeit um 1960. Es ist ein typisches Lied dieser Zeit, das Eingang in Gesangbücher gefunden hat.

>>> RG 260, strophenweise im Wechsel, vgl. Liedblatt Markus Jenny
:

Die Zukunft des evangelischen Kirchengesanges (1970)

Seit Martin Luther ist das Lied die Hauptform des gottesdienstlichen Gesanges. Nun, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zeigt sich, dass aufgrund eines ganzheitlichen kulturellen und kirchlichen Wandels auch das Kirchenlied von vielerlei Strömungen beeinflusst wurde: von der Unterhaltungsmusik, von fremden Musikkulturen, von anderen liturgischen Traditionen und von der Avantgarde. Der traditionelle Kirchengesang ist nicht immun dagegen und so zeigen sich Problemfelder, zu denen Jenny neun Thesen zur Zukunft des Kirchengesanges aufstellt. Auch in diesen spiegeln sich die grundsätzlichen konzeptionellen Gedanken unseres Gesangbuches wider:

1. Die Zukunft unseres Kirchengesanges liegt im sparsamen Gebrauch des Kirchenliedes. Jenny sieht das Gemeindelied als musikalischen Höhepunkt des Gottesdienstes. Es verliert an Kraft, wenn zu oft im Verlaufe des Gottesdienstes gesungen wird. Zur Reformationszeit wurde - wenn überhaupt - nur vor und nach der Predigt gesungen. Erst um 1930 kam das Lied nach der Schriftlesung hinzu. Nach dem Krieg führte man die Liedstrophe am Ende des Gottesdienstes ein und Ende der 60-er Jahre sah die Zürcher Gottesdienstordnung bereits ein 5. Lied (Loblied) vor. Jenny möchte, dass in Zukunft das Lied nur noch im Sinne der reformatorischen Praxis - also vor und nach der Predigt - verwendet wird.

2. Die Zukunft unseres Kirchengesanges liegt im funktionsgerechten Gebrauch des Kirchenliedes. In der Zürcher Gottesdienstordnung von 1969 werden erstmals die liturgischen Schritte entsprechend ihrer Funktionen wiedergegeben, in deren Rahmen sich die Lieder betten: «Zum Eingang», «Lob», «Zur Lesung», «Glaube» und «Zum Schluss». «Funktionsgerecht ist ein Lied nicht dann eingesetzt, wenn es zu den anderen Stücken und zur Predigt passt. Der liturgische Grundsatz, wonach in einem Gottesdienst alles vom Thema der Predigt bestimmt sein müsse, hat mit Liturgie sehr wenig zu tun. Lob ist Lob, Anbetung ist Anbetung, Bekenntnis ist Bekenntnis und braucht nicht zu fragen nach der besonderen Botschaft, die in diesem Gottesdienst ergeht. Es ist Sache der Predigt, dieses Lob, diese Anbetung, dieses Bekenntnis zu aktualisieren und nicht umgekehrt.»

3. Die Zukunft unseres Kirchengesanges liegt in der Schaffung und Einführung nicht-liedmässiger Gemeindegesänge. Irrtümlicherweise könnte geschlossen werden, dass Jenny den gottesdienstlichen Gesang auf das reformatorische Minimum (Lied vor und nach der Predigt) reduziert haben möchte. Als Alternative zum liedmässigen Gesang sieht er aber die Vermehrung anderer Gesangsformen: der Akklamation (Halleluja, Kyrie, Amen etc.), des Kehrverses und der Psalmodie.

4. Die Zukunft unseres Kirchengesanges liegt auch in zweckmässigen organisatorischen Massnahmen. Während einer kürzeren oder längeren Zeit sollen feststehende Gesänge wiederholt werden, um der Gemeinde ein Grundrepertoire vertraut zu machen: Monatslieder, Wochenlieder oder Unterrichtslieder sind einige Möglichkeiten.

5. Die Zukunft unseres Kirchengesanges liegt auch im Gesangbuch der Zukunft. Das Gesangbuch von 1952 überfordere mit seinen 389 Liedern und 235 Melodien die singende Gemeinde. Jenny sieht einen zeitlos gültigen Liederkanon von etwa 150 Liedern, zu dem sporadisch neues Liedgut (insbesondere nicht-liedmässige Formen) hinzutrete. Das zukünftige Gesangbuch müsse seinen musealen Charakter ablegen und Neu- und Umarbeitungen von Texten und Melodien fördern, sodass ein Gleichgewicht zwischen alten und neuen Liedern entstehe.

6. Die Zukunft unseres Kirchengesanges liegt auch in der Art der Ausführung der Gesänge. «Wenn wir dem Kirchengesang ein möglichst baldiges Ende bereiten wollen, dann lassen wir unsere Organisten so laut als irgend möglich die Lieder aus dem vorliegenden Gesangbuch in den im Orgelbuch gedruckten Sätzen und in dieser Lage mit der Orgel im Gottesdienst spielen.» Die Kritik ist scharf; Jenny bezieht sich in seiner Vehemenz gegen folgende Tatsachen: Die Lieder sind aufgrund des beabsichtigten (aber so gut wie nicht mehr praktizierten) vierstimmigen Gesanges für den die Melodie singenden Durchschnittsgottesdienstbesucher zu hoch gesetzt. Die Choral- und Begleitsätze sind im Geiste der 50-er Jahre an einer frühbarocken Satzweise orientiert und farblos. Die Organisten sind unempfindlich gegenüber der Tatsache geworden, dass sie die Gemeinde begleiten sollen - und nicht umgekehrt.

7. Die Zukunft des Kirchengesanges liegt im üben. Der Gemeindegesang hält sich nicht von selbst am Leben, sondern muss in irgendeiner Form immer wieder neu geübt werden - allerdings ohne, dass der Gemeindegottesdienst zur Singstunde wird.

8. Die Zukunft unseres Kirchengesanges liegt in der gewissenhaften Schulung und andauernden Weiterbildung der dafür Verantwortlichen.
Die haupt- und nebenberuflichen Organisten und Chorleiter werden zuwenig auf ihre Aufgabe vorbereitet und darin begleitet. Auch den Pfarrern fehlen genügende Kenntnisse.

9. Die Zukunft des evangelischen Kirchengesanges liegt im katholischen Kirchengesang.
Die Entwicklung des Kirchengesanges wird dahin gehen, dass in allen deutschsprachigen Kirchen aller Konfessionen ein gemeinsamer Grundbestand an Kirchenliedern geschaffen wird. Mit der Bezeichnung des katholischen Kirchengesangs als ideale Form schuf sich Markus Jenny nicht nur Freunde. Jenny meinte aber den konfessionsumfassenden Kirchengesang; heute würde man diesen eher als ökumenisch bezeichnen.


Gesangbücher

Das Gesangbuch von 1952 war das erste reformierte Gesangbuch, welches im 20. Jahrhundert erschien. Zugleich war es das erste, welches für die ganze Schweiz einheitlich war. Die Vorarbeiten dazu begannen bereits Ende der 20-er Jahre und mündeten mitten im 2. Weltkrieg in die Herausgabe des Probebandes. In den folgenden 10 Jahren wurde in den Gemeinden aus diesem gesungen. Gleichzeitig wurde in verschiedenen Kommissionen und Verbänden sowie in den Gemeinden lebhaft über Text-, Melodie- und Satzfassungen gestritten. Hauptstreitpunkt war die Frage, ob das neue Gesangbuch ein- oder vierstimmig gesetzt sein sollte. Diese Frage mündete in Schaffhausen im Jahr 1931 sogar in einen Gemeindestreik, als der Pfarrer in der Kirche St. Johann die Aufforderung erliess, ausnahmsweise einmal ein Lied nur einstimmig zu singen. Die Befürworter des einstimmigen Gemeindegesanges fanden insbesondere in der Person von Adolf Brunner einen vehementen Verfechter. Mit dem definitiven Druck des Gesangbuches im Jahr 1952 zeigte sich schon bald, dass es in mancherlei Hinsicht nicht zeitgemäss war. Kaum verwunderlich, denn sein Konzept reichte ja ein Vierteljahrhundert zurück, ein Vierteljahrhundert, das ganz Europa veränderte. So begab man sich im Grunde genommen bereits Mitte der 50-er Jahre auf den langen Weg zu einem neuen Gesangbuch, als von verschiedenen Seiten Alternativen und Ergänzungen zum Gesangbuch erarbeitet wurden:

Der Deutschschweizerische Sonntagsschulverband gab 1956 und in zweiter Auflage Mitte der 70-er Jahre das Kinderliederbuch «Lobt und singt» heraus. Dieses wurde 1995 durch das «Kolibri» abgelöst, das auch vor einigen Jahren überarbeitet und erweitert wurde. In den 70-er Jahren begann der reformierte Gesangbuchverein sich konkrete erste Gedanken zu einem neuen Gesangbuch zu machen. Um Erfahrungen mit neueren Liedern und Formen zu sammeln, erschien

in den 70-er Jahren die Arbeitsmappe «Neues Singen in der Kirche». Nach einigen Jahren Unterbruch fand das NSK seine Fortsetzung in der gleichnamigen Zeitschrift, welche Hans-Jürg Stefan bis zu ihrer Einstellung im Jahre 1998 betreute.

1980 erschien das erste ökumenische Jugendgesangbuch der Schweiz, das «Kumbaya».

Daneben gab es noch weitere überregionale Liederbücher wie etwa das «Cavayom» oder das «Jubilate».

1995 schliesslich erschien der Gesangbuchentwurf zur Vernehmlassung. Die überarbeitung mündete 1998 in das zeitgleiche Erscheinen der ref. und kath. Gesangbücher - und etwas zeitversetzt das methodistische und christkatholische. Wir schliessen den Bogen zu Adolf Brunner (1960) und Markus Jenny (1970): Das neue Gesangbuch ist ökumenisch ausgerichtet, es dient mit neuen Formen (Texte, Kanons, Leitverse etc.) stärker der Liturgie. Es mischt Altes mit Neuem usw.

Abschluss

In der heutigen gottesdienstlichen Wirklichkeit der reformierten Schweizer Kirchen hat die Musik im Allgemeinen einen hohen Stellenwert, der allerdings weitgehend von personellen Konstellationen im Pfarramt, in den Kirchgemeindebehörden und bei den kirchenmusikalisch Tätigen abhängt. über Funktion und Rolle des reformierten Gemeindeliedes und der reformierten Kirchenmusik überhaupt, sind in den letzten Jahren zahlreiche Aufsätze und Artikel erschienen. Ich habe bewusst einen historischen Ausflug unternommen und mich aus Anlass des 15-jährigen Gebrauchs des RGs den eher unbekannten und inzwischen wenig präsenten Vordenkern gewidmet. Im ganzen deutschsprachigen Raum sind in den letzten Jahren die «Nachkriegsmodelle» der Gesangbücher modernisiert worden. Die Zeit steht auch weiterhin nicht still; bereits beginnt die nächste Gesangbuchgeneration: In Deutschland erscheint zum 1. Advent - an diesem Datum wurden fast alle Gesangbücher neu eingesetzt - das neue Gotteslob. Es ersetzt in der katholischen Kirche das dann «alte» Gotteslob, welches nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil geschaffen wurde. In Süddeutschland ist der Erscheinungstermin garantiert; im Norden kann er infolge einer drucktechnischen Panne nicht eingehalten werden. Auf reformierter Schweizer Seite ist ein neues Gesangbuch derzeit weder Bedarf noch Thema.

Zum Schluss entlasse ich Sie - schon fast aus aktuellem Anlass - mit einem Ausschnitt aus einem noch fast druckfrischen choralgebundenen Orgelwerk in die Nacht. Mein Mann hat vor einem guten Jahr eine Orgelsuite geschrieben, der eine norwegische Choralmelodie zugrundeliegt. Dieses Werk wurde heute vor einem Jahr uraufgeführt und ist auf einer CD eingespielt, die nächste Woche erscheint. Aus dieser Orgelsuite spiele ich nun zwei Sätze: Mitternachtssonne und Herre Gud. In beiden Sätzen erklingt die Choralmelodie sehr prägnant.

Schlusspiel: Thomas A. Friedrich (geb. 1965): Gjesvær (Mitternachtssonne und Herre Gud)